Städte treiben Westbahn-Projekt voran

Ratingen. Bis zur Reaktivierung des Personenverkehrs auf der Westbahn ist es noch ein langer Weg, aber die Stadt Ratingen geht ihn jetzt aktiv und entschlossen an. So lässt sich der umfassende Beschluss auf den Punkt bringen, den der Rat am 12. Mai gefasst hat. Gemeinsam mit den anderen beteiligten Städten Düsseldorf und Duisburg sowie dem Kreis Mettmann und dem VRR will Ratingen einen Projekt-Lenkungskreis bilden, der die Planung der Westbahn kräftig vorantreiben soll. Eigentlich wäre das Aufgabe der Deutschen Bahn AG, deren regionale Planungskapazitäten sind jedoch vollständig durch den Rhein-Ruhr-Express (RRX) und den Ausbau der Strecke Oberhausen-Arnheim gebunden. Daher wollen die Städte und der VRR die ersten Planungsphasen selbst übernehmen, um keine Zeit zu verlieren. Die Stadt Ratingen wird zehn Prozent der Kosten übernehmen, das sind rund 350.000 Euro plus 40.000 Euro für die Projektlenkung.

Der erste Planungsschritt ist vollzogen. Eine im Herbst 2019 vorgelegte Machbarkeitsstudie ergab, dass die Reaktivierung der „Ratinger Weststrecke“, wie das Projekt offiziell heißt, baulich machbar, bezahlbar und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Der so genannte Nutzen-Kosten-Indikator (NKI) liegt in allen untersuchten Planfällen (zum Teil deutlich) im Plus. Erforderlich für eine Förderung ist ein Wert über 1, die vier untersuchten Planfälle für die Westbahn liegen zwischen 1,2 und 1,85.

Eine Machbarkeitsstudie, so aufwendig und fachkundig sie auch ausgeführt sein mag, hat jedoch noch unverbindlichen Charakter. Um das Projekt zu konkretisieren und in den Bedarfsplan des Landes aufnehmen zu lassen, ist eine deutlich vertiefte Planung nötig. Die so genannten Leistungsphasen 1 und 2 gemäß Honorarordnung für Architekten und Ingenieure übernimmt in solchen Fällen in der Regel bereits die Deutsche Bahn AG. Doch von dort ist zurzeit nichts zu erwarten. Denn die Bahn hat weder Kapazitäten noch Grund zur Eile.

Dies liegt daran, dass der Ausbau der aktuell rege für den Güterverkehr genutzten Westbahn-Strecke in Duisburg, Ratingen und Düsseldorf faktisch nicht vor 2030 möglich ist. Mindestens bis dahin wird die Bahn die Weststrecke als Umleitung benötigen, wenn für den Vollbetrieb des RRX die Hauptstrecke zwischen Düsseldorf und Duisburg über Flughafen um bis zu zwei Gleise erweitert wird. Immerhin bringt dieses Provisorium auch einen kleinen Vorteil für die Westbahn: Damit die RRX-Umleitung ausreichend funktioniert, muss der eine oder andere Engpass beseitigt und die Strecke punktuell ausgebaut werden.

Die beteiligten Städte befürchten jedoch, dass nicht nur der Bau der Westbahn erst nach Fertigstellung des RRX beginnt, sondern auch die Planung, wenn man sie ganz der DB überlässt. „Daher wollen wir die Zeit nutzen und alle Planungsschritte, die irgend möglich sind, vorab in Eigenregie gemeinsam mit unseren Partnern und natürlich in enger Abstimmung mit der Bahn, vornehmen“, sagt der Ratinger Planungsdezernent Jochen Kral. „Wir werden diesen ungewöhnlichen, aber pragmatischen Weg gehen, wenn alle vier beteiligten Gebietskörperschaften entsprechende Beschlüsse fassen.“ Das Projektteam wird Zuschüsse des Landes beantragen.

Um den Personenverkehr auf der Ratinger Weststrecke wieder in Betrieb zu nehmen, muss auf der gesamten Strecke zwischen Duisburg-Wedau und Düsseldorf-Rath ein drittes Gleis gelegt werden. Außerdem müssen Bahnhöfe am Sportpark Duisburg, in Duisburg-Wedau, Lintorf, Tiefenbroich und Ratingen-West errichtet werden. In bestimmten Bereichen, zum Beispiel Lintorf, sind sogar zwei neue Gleise erforderlich, damit sich die Züge dort begegnen können.

Der Nutzen der neuen S-Bahn für Ratingen liegt auf der Hand, könnten doch auf einen Schlag Lintorf, Tiefenbroich, Ratingen-West und Teile der Innenstadt direkt an den Schienennahverkehr angeschlossen werden. In Duisburg sieht es ganz ähnlich aus. Neben den bereits bestehenden Wohngebieten an der Bahn entsteht mit dem Projekt „Sechs-Seen-Wedau“ gerade ein ganz neues Stadtviertel. Es handelt sich um das größte Wohn-Neubauprojekt Nordrhein-Westfalens, und es liegt direkt an den Westbahn-Gleisen. Viele der künftigen „Sechs-Seen“-Anwohner werden übrigens erklärter- und erwünschtermaßen in Düsseldorf arbeiten, denn in der Pendler-Hauptstadt NRWs wird der Wohnraum seit Jahren knapp. Mit 7.000 Neubewohnern haben die Gutachter kalkuliert, es könnten aber noch 2.000 mehr werden, abgesehen davon, dass auf einer weiteren Fläche dieses riesigen Entwicklungsgebiets Hunderte Arbeitsplätze entstehen werden.

Bürgermeister Klaus Pesch ist fest davon überzeugt, dass dieses Projekt zwingend erforderlich ist: „Die Westbahn ist ein Marathon, aber wir in Ratingen sind gut vorbereitet. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ins Ziel kommen, wenn alle Beteiligten weiterhin an einem Strang ziehen. Wir geben jedenfalls alles, wie wir mit dem jüngsten Ratsbeschluss bewiesen haben.“