Häftlingsnummer der Fünfjährigen bleibt lebenslange schreckliche Erinnerung

Ratingen. Lange Zeit war es nicht schwer zu erfahren, wie Menschen während des Nationalsozialismus in Deutschland gelebt hatten. Man fragte seine Großeltern. Inzwischen ist das nicht mehr so einfach. Die Zeitzeugen werden weniger. Umso beeindruckender war es für rund 100 Schülerinnen und Schüler der Gymnasialen Oberstufe des Adam-Josef-Cüppers Berufskollegs am 3. Juli 2024, kurz vor dem Beginn der Sommerferien Eva Franz, eine der letzten lebenden Zeuginnen des Holocaust zu erleben. Aufgrund des hohen Alters und der angegriffenen Gesundheit der Zeitzeugin fand das Gespräch online statt. „Doch das“, so empfand es die Moderatorin, Diplom-Sozialwirtin Birgit Mair, „störte dabei gar nicht.“ Insbesondere konnte die Erzählung gut durch persönliche Fotografien, Häftlingslisten oder den Stammbaum der Familie untermauert werden.

Eva Franz (geb. Christ) kam 1940 in Gablonz an der Neiße zur Welt. Sie gehört der Minderheit der Sinti und Roma an, die während des Nationalsozialismus als sogenannte „Zigeuner“ verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet wurden. Als sie zweieinhalb Jahre alt war, wurde sie gemeinsam mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde ihr die Häftlingsnummer 4167 auf den linken Unterarm tätowiert. „Die haben das mit heißer Tinte Punkt für Punkt eingebrannt, das hat sehr, sehr weh getan.“, erinnert sie sich. Franz trägt die Nummer bis heute. Ihre Schwester kam in Auschwitz ums Leben. Gegen Kriegsende wurde sie mit ihrer Mutter in die Konzentrationslager Ravensbrück und Mauthausen deportiert. Ob die Mutter auch noch den Transport in das KZ Bergen-Belsen überlebt hat, ist unklar. „Meine Mutter ist bei der Arbeit plötzlich hingefallen. Ich bin zu ihr gelaufen, und habe ihr gesagt, – Mama, mach doch bitte die Augen auf, was ist mit dir? – Dann haben Männer sie weggebracht und ich habe sie nie mehr wiedergesehen“, erinnert sich die heute 84-Jährige. Weiterhin erzählte sie, wie ihre Schwester im Konzentrationslager verstarb, ihr Vater heimlich Essen besorgte, um die halb verhungerte Familie zu ernähren, dabei erwischt wurde und danach vor den anderen Gefangenen ausgepeitscht wurde und Narben davontrug.
Bei ihrer Schilderung kamen nicht nur Eva Franz immer wieder die Tränen, auch die Schüler*innen und Lehrer*innen waren emotional sehr berührt. Im Anschluss an den Vortrag stellten einige Schülerinnen und Schüler Eva Franz persönlich ihre Fragen – eine inzwischen seltene Gelegenheit mit einem Menschen zu sprechen, der das Martyrium des Holocaust persönlich erfahren hat.
Für Eva Franz endete dieses nicht einfach 1945, sondern es hat ihr Leben weiterhin beeinträchtigt. Bis heute fällt es ihr schwer von ihren Erinnerungen zu erzählen. Aber sie mache dies trotzdem, damit so etwas nie wieder geschieht. So sah es auch der neue Schulleiter des AJC, Jörg Brodka: „Das ist ein Auftrag an uns alle, dass so etwas nie wieder geschieht.“
Die Lebensgeschichte von Eva Franz ist zusammen mit Erinnerungen anderer Zeitzeugen in der Sammlung „Die letzten Zeuginnen und Zeugen“ von Birgit Mair erschienen.